Warum Roland (15) für seine Familie ein echtes Vorbild ist
Eine Reportage von Oliver Wieters
Zu wenig Bewegung, zu viele Süßigkeiten – schon mit zehn war Roland so dick, dass ihm bei jedem Schritt die Knie weh taten. Zufällig erfuhr seine Mutter vom Moby Dick-Programm. Motto: Abnehmen mit Spaß – und nicht mit Verboten! In knapp zehn Monaten hat Roland gut 25 Kilo abgespeckt. Er ist begeistert: „Ich kann jetzt viel mehr machen als früher!“
Kommen Sie mit in ein hübsches Einfamilienhaus im grünen Hamburg-Bramfeld. Liebevoll kümmert sich hier Hausfrau Dana Kasprik (39) um ihre Familie. Um Roland (15), Adrian (13), Fabian (10), Heidi (6) und Ehemann Andreas (35), von Beruf Elektroinstallateur. Gerade hat sie einen Kuchen auf den hübsch gedeckten Kaffeetisch gestellt. Aber während dem pummeligen Fabian schon das Wasser im Mund zusammenläuft, kann sich sein schlanker Bruder Roland mühelos zurückhalten.
Früher hätte sich auch Roland kaum zweimal bitten lassen. Gedankenlos stopfte er Kuchenberge, Schokoriegel, Hamburger und Chips in sich hinein. Auf den alten Familien-Bildern ist er kaum wieder zu erkennen: Ein echter Brocken ist er damals gewesen. Mit 12 wog er fast 90 Kilo bei 1,63 Meter Größe. Mindestens 30 Kilo zuviel.
Kein Wunder, denn Bewegung war absolut nicht Rolands Ding. Er spielte lieber mit seiner Modelleisenbahn. Sport? Fehlanzeige! Obst und Gemüse? Ein Graus!
„Schon mit zehn war er so dick, dass ich seine Kleidung in der Herrenabteilung kaufen musste“, erinnert sich Dana. In seiner Freizeit trug Roland Trainingsanzüge. „Da fielen die Fettpolster nicht so auf.“ Doch sein Körper ließ sich nicht täuschen: „Bei jedem Schritt taten mir meine Knie weh“, sagt er. Schon bei kleinster Anstrengung ging ihm die Puste aus. Wegen seiner Gelenkprobleme wurde er vom Schulsport befreit – ein Teufelskreis. Dana: „Ich machte mir echt Sorgen um meinen Ältesten. Ich litt, wenn er von seinen Mitschülern verspottet wurde.“
Die Erinnerung an tägliche Hänseleien hat Roland verdrängt. „Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich immer dicker wurde.“ Alle Versuche der Mutter, ihn zu einer Diät zu überreden, scheiterten. In ihrer Not suchte Dana im Juni 1999 Rat bei ihrem Hausarzt. Als er Roland untersuchte, schrillten alle Alarmglocken: Der Arzt warnte vor Langzeitfolgen wie Altersdiabetes, hohem Blutdruck und Haltungsschäden. Er verschrieb dem damals 10-Jährigen eine Diät-Kur in Wyk auf Föhr.
Der Erfolg hielt sich in Grenzen. „Kein Wunder“, wie Roland im Rückblick meint. „In unserer Freizeit durften wir so viel Eis und Kuchen kaufen, wie wir wollten.“ Am Ende war nur ein mageres Kilo weg.
Dana war verzweifelt. Was nun? Zufällig sah sie Anfang 2001 eine Folge der „Oliver Geissen Show“ im Fernsehen. Zu Gast waren Kinder, die mit dem Gesundheitsprogramm „Moby Dick“ abgenommen hatten. „Mir gefiel, dass Moby Dick nicht auf Verbote setzt, sondern auf Spaß.“
Dana verabredete einen Termin mit Dr. Christiane Petersen (50), die das Programm 1999 in Hamburg ins Leben gerufen hatte.
Beim Info-Gespräch erfährt sie von der sympathische Schulärztin Überraschendes: „Je weniger Diät ein Kind hält, desto besser kann es abnehmen“, erklärte sie. „In der Wachstumsphase ist es durchaus ein Erfolg, wenn ein übergewichtiges Kind nicht weiter zunimmt, sondern in die Höhe statt in die Breite wächst.“
Dana war begeistert. „Ich habe Roland gleich angemeldet.“ Ein Jahr lang (November 2001 bis Dezember 2002) ging er einmal wöchentlich für drei Stunden zum Kursus.
Roland: „Die Sitzungen vergingen wie im Fluge: Erst hatten wir eineinhalb Stunden Bewegungstraining, dann eineinhalb Stunden gemeinsames Kochen.“ Da gab’s dann alles, vom Grünkerneintopf über Seeräuber-Gulasch (mit Seelachsfilet statt Rindfleisch) und Suppen bis zu Kartoffel-Karotten-Reibekuchen. Aber auch mal Döner mit Putenbrustfilet oder magere Hamburger, in Pflanzenöl fettarm gebraten. Zwischendurch Vollkornprodukte und selbstverständlich auch Süßes wie Obstsalat oder Obstkuchen.
Es dauerte nicht lange, da entwickelten die zwölf gleichaltrigen, übergewichtigen Jungen und Mädchen echten Team-Geist. Aber auch die Eltern wurden regelmäßig über Elternabende mit einbezogen. Im September 2002 war ein deutlicher Erfolg zu sehen. Inzwischen wog Roland nur noch 65 Kilo, 25 Kilo weniger als noch zehn Monate zuvor!
Rolands Augen glänzen, wenn er an den Tag denkt, an dem er die alte Kleidung aus dem Schrank werfen konnte und shoppen ging. „Es war total super. Ich fühlte mich befreit.“ Als erstes suchte er sich eine knackige Jeans aus.
Dana ist stolz auf ihren Jungen. Nicht nur Rolands, sondern auch ihr Leben ist seitdem leichter geworden: „Roland ist viel erwachsener geworden“, findet sie. So sehr, dass jetzt sogar seine Eltern und Geschwister von ihm lernen, wie man sich gesund ernährt und für ausreichende Bewegung sorgt. Roland hat eingesehen: „Wenn ich leichter bin, kann ich viel mehr Sachen machen.“ Heute fährt er mit dem Fahrrad zur Schule. „Und am Schulsport nehme ich auch längst wieder teil.“ Gemäß dem Moby Dick-Ernährungsgrundsatz „Auf die richtige Mischung kommt’s an!“, isst Roland heute ausgewogener und regelmäßiger. Nur das garantiert einen gleichmäßigen Zuckerspiegel im Blut, verhindert Heißhunger. Fettreiche Produkte sind ganz tabu. Die Tafel Schokolade wird schön über die ganze Woche verteilt. Und natürlich hält er sich an die Empfehlung, lieber Nahrung zu essen, die mehrfach ungesättigte und pflanzliche Fette enthält (z. B. Hering, Makrele und Sonnenblumenöl).
Außerdem stehen viel Obst und Gemüse, manchmal auch Nüsse, Trockenobst oder ein Stück Käse auf Rolands Speiseplan. „Statt zuckersüßer Limo trinke ich jetzt Mineralwasser, mindestens 1,5 Liter pro Tag.“
Im Sommer 2003 Rolands Schlüsselerlebnis: „Ich habe Verwandte in Schlesien besucht. Als ich ankam, hat mich da erst niemand erkannt, Wahnsinn!“ Kein Wunder: Heute wiegt er nur noch 62 Kilo bei einer Größe von 1,83 Meter.
Vom Erfolg des großen Bruders begeistert, will nun auch Fabian (70 Kilo bei 1,62 Meter) zu Moby Dick gehen und abspecken. Ein Stück von Mutters leckerem Kuchen ist ja auch dann noch ab und zu drin, hat er schließlich gelernt…
Info Moby Dick
Mindestens jedes fünfte Kind in Deutschland ist inzwischen übergewichtig. 1975 war es nur jedes zwanzigste! Ein Teil leidet bereits in jungen Jahren an chronischen Krankheiten wie Altersdiabetes oder Skelettveränderungen. Ursachen sind u.a. falsche Ernährung, psychischer Stress und zu wenig Bewegung. Professionelle Hilfe finden Betroffene in den zurzeit 22 „Moby Dick“-Gruppen. Die Teilnahme kostet monatlich 103 Euro. Viele Krankenkassen erstatten 80 Prozent. Drei Viertel der Teilnehmer sind erfolgreich. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.mobydicknetzwerk.de. Telefon: 040/32 52 52 38.
Das Buch „Moby Dicks Spaß-Diät für Kinder“ ist im Ullstein Verlag erschienen und kostet 7,95 Euro.
Bild 1: Roland bei der Feier zu seinem 12. Geburtstag. Damals wog der Junge schon fast 90 Kilogramm Bild 2: Roland mit 15. Er ist endlich schlank – dank Moby Dick Bild 3:Mutter Dana ist stolz auf ihren Ältesten. Von Roland haben wir gelernt, wie man sich gesund ernährt.“ Fabian will jetzt auch abspecken. Nur Heidi (6) hat keine Gewichtsprobleme Bild 4: Mutter Dana mit ihren Kindern Fabian, Heidi und Roland (v.l.n.r.). Fabian will auch noch zu Moby Dick, Roland hat bereits abgespeckt.
Fotos: Oliver Wieters
Zwischentitel 1: Ein gutes Rezept: Spaß statt Verbote
Zwischentitel 2: Je weniger Diät, desto besser
Zwischentitel 3: Verwandte haben ihn nicht wieder erkannt
Erstveröffentlichung: „mach mal Pause“, Rubrik Reportage, Heft 42 (6. Oktober 2004), Seite 26/27