Bären – der Fall des Braunbären Bruno, der im Mai 2006 aus der italienischen Provinz Trentino nach Norden wanderte, hat es gezeigt -, haben es auch nicht leicht, und Drachen leiden seit jeher unter einem Imageproblem, weil sie Prinzessinnen rauben, Feuer speien und überhaupt wenig gesellschaftsfähig sind. Schon die Bibel wusste zu berichten: „Aus der Wurzel der Schlange wird eine giftige Natter kommen, und ihre Frucht wird ein feuriger fliegender Drache sein.“ Auch das Land des Bären, Rußland, brachte dem Land des Drachen, China, wenig Sympathie entgegen und andersherum. Allenfalls im antiken Sternbild des Drachen war für den Bären eine kleine Ecke reserviert, wo er nicht weiter für Unordnung sorgte.
Bär und Drache sind sich nicht grün und eignen sich somit perfekt für die Rolle des ungleichen Paares, das entgegen aller Erwartung zueinander findet. Es steht im Mittelpunkt von Konrad Utz unterhaltsamem ersten Kinderbuch, das jungen Lesern ab 5 Jahren „Geschichten von Drache und Bär“ erzählt. Der Drache Nuri ist auf der Suche nach einem Schatz als er auf den Bär trifft, der seinerseits auf der Suche nach einer Höhle ist. Durch ein Versehen verbrennt ihm der Drache den Pelz und lädt ihn zur Entschuldigung zu sich in die Höhle ein. Über einem Glas Waldmeisterbrause entdecken die beiden Gemeinsamkeiten und beschließen sich gegenseitig zu helfen. Am Ende der ersten Erzählung gründen sie eine tierische Wohngemeinschaft, die ein voller Erfolg wird.
In neun warmherzig und einfühlsam geschriebenen Geschichten erzählt Konrad Utz, der mit seiner Familie in Brasilien als Philosophiedozent lebt, von den Abenteuern, die Nuri und der Bär miteinander erleben. Mal ist es ein Bienenschwarm, mal ein Ritter, mal eine Prinzessin, mal ein Igel im Beerengestrüpp, der die volle Aufmerksamkeit der tapsigen Helden auf sich zieht und zu philosophischen Fragen Anlass gibt: Was ist dieser zitternde, stachelige In-sich-selber-drin? Stimmt es, dass die großen Tiere mutiger sind als die kleinen Tiere? So fragt ein jeder nach seiner Facon. Der Bär, ein ferner Verwandter von Winnie the Pooh, ist stets auf der Suche nach Honig, und der Drache, ein sympathisches Ungeheuer wie ihn ältere Kinder aus dem Film „Dragonheart“ kennen, ist stets auf der Suche nach einer Prinzessin, die er verspeisen kann. Aber was immer die beiden auch zu finden hoffen, am Ende ist es der Wert der Freundschaft, der den größten Gewinn bringt. Schließlich ist ein Freund, wie der Erzähler immer wieder betont, „der kostbarste Schatz, den man finden kann“. Eine manchmal etwas dozierend, aber lustig vorgetragene Weisheit, die aber auch den Kindern sofort einleuchtet, wenn sie diese Geschichten vorgelesen bekommen. Daniel Napp („Dr. Brumm“) hat das Buch mit spitzen Zeichnungen gekonnt in Szene gesetzt. Wie hiess es früher bei der Augsburger Puppenkiste? „Drachen hat nicht jeder, und das ist sonnenklar, denn wenn jeder Drachen hätt, das wär ja wunderbar. Drachen hat nicht jeder, und das hat seinen Grund. Denn wenn jeder Drachen hätt, käm mancher auf den Hund.“ Das ist angesichts dieses gelungenen Kinderbuches fast gar nicht mehr zu verstehen.
Konrad Utz, Geschichten von Drache und Bär, Illustriert von Daniel Napp, Sauerländer, ISBN: 978-3-7941-6068-6, Gebunden, 96 Seiten, Format: 218 x 145 x 18 mm, erschienen Juni 2006, 9,90 € (D), 16,90 SFr (CH), 10,20 € (A). http://www.sauerlaender.de/titel-0-0/geschichten_von_drache_und_baer-6489/